Alles zur EU-Wahl
Im Interview verrät die Politologin und Lehrende der Fachhochschule Kärnten Dr.in Kathrin Stainer-Hämmerle warum man zur EU-Wahl gehen sollte, was sie den Studierenden auf den Weg zur Wahlurne gerne mitgeben will und welche Wünsche sie an die Politik hat.
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Über die EU-Wahl
Die Europäische Union (EU) ist eine politisch-wirtschaftliche Union, die derzeit aus 27 Mitgliedsländern besteht. Die EU-Wahl bezieht sich auf die Wahlen zum Europäischen Parlament, dem legislativen Organ der Europäischen Union. Hier sind einige allgemeine Informationen über die EU-Wahl:
1. Häufigkeit der Wahlen:
- Die EU-Wahl findet alle fünf Jahre statt.
- Die letzten Wahlen fanden im Mai 2019 statt, und die nächsten Wahlen 2024.
2. Europäisches Parlament:
- Das Europäische Parlament ist das einzige direkt gewählte Organ der EU.
- Es besteht aus Abgeordneten, die von den Bürgern der Mitgliedsländer gewählt werden.
3. Anzahl der Abgeordneten:
- Die Anzahl der Abgeordneten pro Land variiert und hängt von der Bevölkerungsgröße ab.
- Insgesamt gibt es derzeit 705 Sitze im Europäischen Parlament.
4. Kandidaten und Parteien:
- Die EU-Wahl ermöglicht den Bürgern, Kandidaten oder Parteien zu wählen, die ihre Interessen im Europäischen Parlament vertreten sollen.
- Kandidaten können entweder als Teil nationaler Parteien oder als unabhängige Kandidaten antreten.
5. Themen der Wahl:
- Die EU-Wahl behandelt eine Vielzahl von Themen, die die Europäische Union betreffen, darunter Wirtschaft, Umweltschutz, Migration, Sicherheit und Menschenrechte.
6. Bedeutung der EU-Wahl:
- Die gewählten Abgeordneten vertreten die Interessen der Bürger auf EU-Ebene und sind an der Gesetzgebung beteiligt.
- Die Ergebnisse der Wahl beeinflussen die Zusammensetzung und den politischen Kurs der EU.
7. Wahlberechtigte:
- Alle EU-Bürger ab 18 Jahren haben das Recht, an der EU-Wahl teilzunehmen, sowohl in ihrem Heimatland als auch im Wohnsitzland.
Die EU-Wahl ist ein wichtiger Mechanismus für die demokratische Repräsentation auf europäischer Ebene und ermöglicht es den Bürgern, Einfluss auf die Entwicklung der EU-Politik auszuüben.
Interview mit Dr.in Kathrin Stainer-Hämmerle
Dr.in Kathrin Stainer-Hämmerle im Interview zur EU-Wahl am 26. Mai 2019:
Liebe Frau Stainer-Hämmerle, worüber entscheiden wir eigentlich, wenn wir am 26. Mai zur Wahlurne schreiten?
Wir entscheiden über die Vertreterinnen und Vertreter Österreichs im Europäischen Parlament. Dieses ist mit der Kommission und auch dem Rat der Mitgesetzgeber. Man kann die Gewaltenteilung in Europa nicht ganz vergleichen mit dem staatlichen Aufbau. Das Europäische Parlament ist aber dennoch sehr wichtig im Gesetzgebungsverfahren. Es sind die einzig direkt gewählten Vertreterinnen und Vertreter Österreichs in der Europäischen Union.
Da es immer wieder zu Missverständnissen kommt: Was wählen wir nicht?
Das ist vielleicht auch wichtig zu erwähnen: den Kommissionspräsidenten. Bei der letzten Wahl ging es ja hauptsächlich um das Duell Martin Schulz gegen Jean-Claude Juncker (die Spitzenkandidaten der beiden Fraktionen). Das ist dieses Mal nicht das Thema, im Gegenteil.
Was wird noch gewählt?
Natürlich werden auch die österreichischen Parteien bei dieser Wahl gewählt. Es ist ein bisschen eine Stimmungswahl. Wie sich der überraschende Rücktritt von Vizekanzler Heinz-Christian Strache und die Ankündigung von Neuwahlen im September auf diese Wahl auswirken werden, ist aber schwer einzuschätzen. Das Ergebnis wird sicher mit der Innenpolitik in Zusammenhang gebracht, nicht zuletzt, weil Strache auf den Plakaten zu sehen ist und auch Bundeskanzler Sebastian Kurz in den Wahlkampf aktiv eingestiegen ist, obwohl er nicht zur Wahl steht. Wir wissen nicht, ob sich etwa die Ibiza-Tapes negativ auf die Wahlbeteiligung auswirken wird. Ich vermute es. Das Wort Schicksalswahl signalisiert auch das Ringen zwischen EU-Befürwortern und EU-Skeptikern. Die zukünftige Ausgestaltung der Union hängt von diesen Wahlen ab: Sind die Wähler eher für eine Weiterentwicklung oder für eine Schwächung dieser Zusammenarbeit?
Das Wort Schicksalswahl wird auch oft verwendet, weil es darum geht die EU-Befürworter gegen die EU-Skeptiker. Das gilt europaweit. Auch das mittlerweile schon jahrelange Drama rund um den Brexit ist spannend zu beobachten. Was denken die, die wählen gehen? Sind die eher für eine Weiterentwicklung oder für eine Schwächung dieser Zusammenarbeit?
Was sind die großen Themen, die diesen Wahlkampf bestimmen?
Der Eurobaromter hat erhoben, welche Themen wichtig sind. In vielen Ländern steht der Klimaschutz auf der Themen-Rangliste auf Platz eins. Ich finde es schon erstaunlich, weil da sichtbar wird, dass auch viele Millionen in Wahlkampagnen investierte Euro oft nicht entscheiden, was Bürgerinnen und Bürger diskutieren. Sondern was ein schwedisches Mädchen initiiert hat. Was auch an Bedeutung zunimmt – allerdings noch nicht so weit vorne ist im Ranking – ist die Zukunft der Union, die durch die Brexit-Debatte ausgelöst wurde. Und was jetzt sicher noch dazu kommt, ist die innenpolitische Situation in Österreich.
Für jüngere Menschen stehen ganz klar zwei starke Themen im Vordergrund: Klima- und Datenschutz. Vor allem die neue Copyright-Richtlinie mit den Artikel 13 und den drohenden Uploadfilter beschäftigt Jugendliche sehr.
Ebenfalls ansteigend, allerdings nicht so sehr in Österreich, sondern eher in südeuropäischen Ländern, ist das Thema der Jugendarbeitslosigkeit. Daneben gibt es den immer präsenten Dauerbrenner Soziale Sicherheit/Arbeitsmarkt/Gerechtigkeit. Interessant ist aber auch, welche Themen aus Sicht der EU-Bürgerinnen und Bürger verloren haben. In Österreich zum Beispiel das Thema Grenzschutz/Zuwanderung und Kampf gegen Terrorismus.
"Wenn man Politiker und Spitzenkandidaten fragt, was ihnen beim Thema Europa besonders am Herzen liege, hört man fast immer die offenen Grenzen."
Kathrin Stainer-Hämmerle
Sind auch Hochschul-/Bildungsthemen im EU-Wahlkampf präsent?
Das Thema Bildung im Allgemeinen kommt so nicht vor. Weil Bildung Sache der Nationalstaaten ist, spielt sie für eine breitere Bevölkerung in einem Europawahlkampf eigentlich kaum eine Rolle.
Die wichtigen Kooperationen im Bildungs- und Wissenschaftsbereich – Stichwort: Erasmus Generation! – hingegen spielen schon eine Rolle. Wenn man Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten fragt, was ihnen beim Thema Europa besonders am Herzen liege, nennen sie fast immer die offenen Grenzen. Dieser freie Raum in dem man sich bewegt, ist für formal höher-gebildete Jugendliche fast schon eine Selbstverständlichkeit. Wobei ich das spannend finde, weil Grenzen für gewisse Politikerinnen und Politiker immer nur in eine Richtung offen sein sollen, oder nur für bestimmte Bevölkerungsgruppen. Diese Kooperationen sind vielen sehr wichtig, werden aber von vielen heutzutage vielleicht für zu selbstverständlich genommen.
Die Wahlbeteiligung ist gering. Vor allem Erstwählern oder JungwählerInnen wirft man oft „Wahlfaulheit“ vor. Stimmt das?
Die Tragik ist, dass wir bei Jungwählerinnen und Jungwähler über wenig Daten verfügen, weil das so eine kleine Gruppe ist. Die Masse sind die Pensionistinnen und Pensionisten. Was ich aus verschiedenen Wahlgängen weiß, ist, dass die Wahlbeteiligung bei jungen Menschen stets stark variiert. Es hängt ein bisschen davon ab, wie wichtig die Wahl erachtet wird. Auch beim Brexit hat man gesehen, dass das Pro (für den Ausstieg) so ausgegangen ist, weil viele JungwählerInnen daheim geblieben sind. Das war ihnen schon eine Warnung. Die Hauptmotivation ist aber das passende Angebot: Wer verkörpert mich und meine Anliegen am besten?
Sollte man als EU-SkeptikerIn zur Wahl gehen?
Die ideologische Grundhaltung sollte einen nie davon abhalten, wählen zu gehen. Ich finde nur, dass man sich erkundigen sollte, was die verschiedenen Vorstellungen der Parteien sind und was deren Vorschläge und Pläne in weiterer Konsequenz bedeuten, nicht nur fürs eigene Leben, sondern auch für die Demokratie, fürs Zusammenleben sowohl für Österreich wie in Europa. Und dann kann man durchaus seine Wahl treffen.
Was wünschen Sie sich persönlich von der EU?
Die EU ist nicht perfekt und hat auch in vielen zentralen Fragen versagt. Das hat dann zu dieser Skepsis geführt. Ich wünsche mir eine europaweite Lösung bei der Migration. Dieses Versäumnis war erbärmlich und ist immer noch erbärmlich. Ich war schon an den Rändern Europas unterwegs. Wenn man sich in Bulgarien in den Roma-Ghettos befindet, ist es kaum zu glauben, dass man sich da noch auf EU-Boden befindet. Ich würde mir vom Wahlkampf wünschen, dass es ein bisschen mehr um Solidarität und Gemeinsamkeiten geht. Das würde uns in Europa guttun. Das würde uns auch generell in der Gesellschaft guttun.
Die EU muss auf zentral wichtige Fragen Antworten finden. Es geht um Migration, es geht um Klimaschutz, es geht um Steuergerechtigkeit. Und natürlich, was vielleicht bei uns weniger stark ein Thema ist und mehr in Südeuropa aktuell ist, Jugendlichen eine Chance, eine Zukunft bieten. Da haben wir Regionen in Süditalien, Griechenland, Spanien, Portugal, wo 50 Prozent der Jugendlichen keinen Job finden, von dem sie leben können. Es gibt also noch viele große Themen, aber zentral ist, dass diese nur gemeinsam auf europäischer Ebene gelöst werden können. Am meisten ärgert mich daher, dass es viele Parteien gibt, die uns vorgaukeln, nationale Lösungen wären besser.
Dr.inKathrin Stainer-Hämmerle ist Politik–und Rechtswissenschafterin und leitet den Studienzweig Public Management an der Fachhochschule Kärnten. Ihre Forschungsschwerpunkte sind u.a. österreichische Politik, Politische Bildung sowie das Verhältnis zwischen Jugend und Politik.