Ärzte ohne Grenzen
Interview mit Hannelore Wallner, Head of International HR Unit
be inspired.
In unserer modernen Welt haben wir alles, was wir uns wünschen können. Dazu gehört auch eine erstklassige medizinische Versorgung. Derweil zerstören Naturkatastrophen anderswo ganze Regionen oder es brechen Epidemien aus. Die medizinische Nothilfeorganisation Ärzte ohne Grenzen hilft vor Ort und damit vielen Menschen in Not.
Über diese wichtige Arbeit haben wir mit Hannelore Wallner gesprochen. Sie selbst hat sich viele Jahre in Krisengebieten engagiert, etwa in Uganda und Tansania, und ist seit 2018 Head of International Human Ressources bei Ärzte ohne Grenzen.
Liebe Frau Wallner, seit wann gibt es Ärzte ohne Grenzen und was ist allgemein das Anliegen des Vereins?
Ärzte ohne Grenzen wurde 1971 gegründet – seit damals besteht die internationale Bewegung, die mittlerweile in zahlreichen Ländern aller Kontinente Büros unterhält. Ärzte ohne Grenzen Österreich gibt es seit fast 30 Jahren. Wir haben hier ein Büro in Wien von dem Fundraising, Advocacy und Öffentlichkeitsarbeit sowie Rekrutierung von internationalen Projektmitarbeiter:innen durchgeführt wird.
Unser Hauptziel ist sicherzustellen, dass alle Menschen Zugang zu medizinischer Versorgung haben. Im Namen der universellen medizinischen Ethik und des Rechts auf humanitäre Hilfe arbeitet Ärzte ohne Grenzen neutral und unparteiisch. Ärzte ohne Grenzen hilft Menschen in Not ohne Diskriminierung und ungeachtet ihrer ethnischen Herkunft, religiösen oder politischen Überzeugung.
Was sind konkrete Anlässe für Hilfseinsätze und in welchen Ländern finden sie statt?
Ärzte ohne Grenzen leistet humanitäre Hilfe in verschiedenen Kontexten: nach Naturkatastrophen, in Krisengebieten, bei Epidemien und in Regionen in denen Menschen keinen Zugang zu Basisgesundheitsversorgung haben. Das oberste Ziel unserer Arbeit ist wie gesagt stets, den Menschen, die keinen Zugang zu medizinischer Versorgung haben, direkt und schnell zu helfen. Ärzte ohne Grenzen ist derzeit mit rund 68.000 Mitarbeitenden in über 75 Ländern weltweit im Einsatz.
Können Sie beziffern, wie vielen Menschen Ärzte ohne Grenzen pro Jahr hilft – so ungefähr?
Wir haben 2022 weltweit 16.272,300 ambulante Behandlungen durchgeführt. Über 1,2 Millionen Patient*innen haben wir stationär versorgt und fast 300.000 Geburten begleitet. Über 4 Millionen Masern-Impfungen, oft als Reaktion auf Krankheitsausbrüche, haben unsere Teams geleistet und fast 130.000 schwer mangelernährte Kinder behandelt.
Welche Herausforderungen gibt es an den Einsatzorten?
Unsere Projekte werden in über 75 Ländern weltweit umgesetzt – die Bandbreite der Herausforderungen ist so groß wie die Unterschiede der Regionen, in denen wir arbeiten. Neben administrativen und rechtlichen Aspekten, die Ärzte ohne Grenzen einhalten und befolgen muss – etwa arbeitsrechtliche Vorgaben für die Teams, medizinische Protokolle z.B. für Import von Medikamenten etc. – gibt es eine Vielzahl von sicherheitsrelevanten Aspekten, die beachtet werden müssen, um die Teams und die Patient*innen sicher versorgen zu können. Abgesehen davon gibt es auch Länder, in denen unsere Teams entweder extremer Hitze oder extremer Kälte ausgesetzt sind oder lokale Krankheiten, die für Mitarbeitende ebenso riskant wie für Patient*innen sein können.
Je nach Aufgabengebiet gibt es natürlich auch noch andere Herausforderungen wie zum Beispiel das Führen von Teams in Krisensituationen und unter sich laufend ändernden Bedingungen.
Was müssen deshalb potenzielle Einsatzmitarbeiter*innen mitbringen – welche Anforderungen sind bei Ihnen besonders gefragt?
Neben soliden fachlichen Kenntnissen – von medizinischen über technischen bis hin zu HR und Finanzwesen, eben je nach Fachbereich – sind viele weitere Anforderungen zu erfüllen: darunter fallen Stressresistenz, ein hohes Niveau an Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, interkulturelle Kompetenzen und natürlich ein robustes Maß an Strapazierfähigkeit.
Zu den Prinzipien des Vereins gehören unter anderem die Verteidigung der Menschenrechte sowie die Achtung der medizinischen Ethik. Können Sie kurz etwas dazu sagen?
Als internationale humanitäre Organisation ist das oberste Ziel unserer Arbeit, medizinische Nothilfe zu leisten – natürlich unter Einhaltung medizinscher Ethik, um unsere Patient:innen unparteiisch und unvoreingenommen nach den bestmöglichen medizinischen Leitlinien medizinisch versorgen zu können. Ärzte ohne Grenzen wurde damals 1971 von Ärzten und Journalisten (sic) gegründet. Die Idee war eine Organisation ins Leben zu rufen die medizinische humanitäre Hilfe leistet und dabei Sprachrohr ist für Menschen in Not. Wir nennen das „témoignage“, quasi „Zeugnis geben“ und meinen das Beobachten und Berichten über Situationen vor Ort.
Ärzte ohne Grenzen bietet auch das „Friends of MSF-Programm“ an. Was ist darunter zu verstehen?
Friends of MSF ist – neben Break the Silence übrigens, die Jugendschiene von Ärzte ohne Grenzen – ein Angebot, das sich an Studierende richtet, die an ihren FHs oder Universitäten einbringen wollen. Wir haben bereits einige Friends of MSF-Gruppen in mehreren Städten in Österreich. Unsere Friends of MSF organisieren Gastvorträge und Benefizaktionen, veranstalten Filmvorführungen oder Podiumsdiskussionen und vieles mehr. Ihrem Einfallsreichtum sind keine Grenzen gesetzt. Zwei meiner Kolleginnen unterstützen sie dabei an ihrer Hochschule aktiv zu werden.
Das klingt tatsächlich sinnvoll – zumal es sicher auch was mit den Studierenden selbst macht. Wie beeinflusst sie ein solches Engagement ganz persönlich?
Die Arbeit mit Ärzte ohne Grenzen zeigt einem immer wieder auf, wie die Krisen in der Welt aber auch das soziale Gefälle, viele Menschen vom Zugang zu medizinscher Versorgung ausschließt. Der Beitrag den man als Mitarbeiter*in in verschiedensten Berufsgruppen leisten kann, ist eine Bestätigung dafür, dass man nicht tatenlos bleiben muss, dass man Leid lindern kann und sich persönlich einsetzten kann: dass gibt unheimlich viel zurück – an Menschlichkeit und Bestätigung, etwas Gutes zu tun, einen Beitrag in dieser Welt zu leisten.
Angenommen, jemand interessiert sich für ein Studium in IT-Technik oder Bauingenieurwesen: Kann man auch mit diesem Abschluss bei Ärzte ohne Grenzen andocken?
Ja das kann man! Wir suchen regelmäßig Personen, die Fachwissen im Bereich Bauingenieurwesen inklusive zwei Jahre praktischer Arbeitserfahrung mitbringen. Im Bereich IT gibt es seltener Stellen in den Projekten, aber auch hier lohnt es sich, sich zu informieren und an einem Online-Seminar teilzunehmen.
Ein Studium an der FH Kärnten
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