Albert-Schweitzer-Preis für Pflegewissenschaften 2023.
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Albert-Schweitzer-Preis für Pflegewissenschaften 2023 für die Bachelorarbeit „Pflegen mit den Händen in der Hosentasche“ ging an FH Kärnten-Absolventin Sarah Hiebler. Sie absolvierte den Studiengang Gesundheits- und Krankenpflege an der FH Kärnten und studiert aktuell im Masterstudiengang Gesundheitsmanagement. Im Interview geht Sarah Hiebler auf ihre Bachelorarbeit ein und berichtet von ihren Erfahrungen während ihres Studiums an der FH Kärnten.
Mit ihrer Bachelorarbeit „Pflegen mit den Händen in der Hosentasche nach Erwin Böhm. Eine Analyse des psychobiographischen Pflegekonzepts hinsichtlich der Evidenzbasierung des theoretischen Ansatzes, in Bezug auf die Förderung der Autonomie und Selbstständigkeit von Pflegeheimbewohner*innen“ holte sich Sarah Hiebler den 1. Platz des Albert-Schweitzer-Preis für Pflegewissenschaften. Im Interview geht sie näher auf ihre Bachelorarbeit ein.
Wie fühlen Sie sich angesichts dieser Anerkennung mit dem Albert-Schweitzer-Preis?
Es ist mir eine große Ehre und eine Bestätigung für meine Arbeit, den Albert-Schweitzer-Preis für Pflegewissenschaften erhalten zu haben. Ich bin überwältigt und stolz, dass meine
Literaturrecherche in der Pflege anerkannt wird.
Könnten Sie uns einen Überblick über Ihre Bachelorarbeit geben und warum Sie sich für das Thema „Pflegen mit den Händen in der Hosentasche“ entschieden haben?
Die Menschen werden älter und sind demnach immer öfter von Multimorbidität betroffen. Um die Lebensqualität zu erhalten, ist es wichtig, die Autonomie und Selbstständigkeit der
Betroffenen so lange wie möglich aufrechtzuerhalten und zu fördern. Nach meiner beruflichen Erfahrung ist es aber oft so, dass Pflegekräfte den Betroffenen pflegerische Tätigkeiten abnehmen, welche sie mit etwas Geduld selbstständig durchführen könnten.
Darunter fallen vor allem Aktivitäten des täglichen Lebens. Etwa die Körperpflege, das Essen und Trinken oder auch die Bewegung. Auch Erwin Böhm, ein österreichischer Pflegewissenschaftler, erlebte in Pflegeheimen des Öfteren eine Übernahme von Pflegetätigkeiten, welche die Betroffenen eigentlich noch selbstständig durchführen konnten. Er konzipierte ein Pflegemodell mit dem Ziel, die Betroffenen wieder selbständig am Leben teilhaben zu lassen. Allerdings entstand dieses Modell mit dem theoretischen Zugang „Pflegen mit den Händen in der Hosentasche“ nur basierend auf seinen Erfahrungen.
Ziel meiner Bachelorarbeit war es deshalb, anhand einer Literaturrecherche zu ermitteln, inwieweit die Wirksamkeit des theoretischen Zugangs „Pflegen mit den Händen in der Hosentasche“, ausgehend von der aktuellen Studienlage, bestätigt werden kann. Weiters stelle ich in der Arbeit dar, inwieweit die Studienlage aufzeigt, dass dadurch die Autonomie und Selbstständigkeit der geriatrischen Bewohner*innen von Pflegeheimen bei den Aktivitäten des täglichen Lebens gefördert und verbessert werden.
Was genau bedeutet „Pflegen mit den Händen in der Hosentasche“ und wie kann dieser Ansatz die Pflegepraxis verbessern?
Pflegepersonen wollen Pflegebedürftigen aus Hilfsbereitschaft oft Tätigkeiten abnehmen. Sobald bemerkt wird, dass der Betroffene sich bemüht, aber zum Beispiel das Butterbrot nicht auf Anhieb streichen kann, wird geholfen. Die Adaptionszeit wird nicht abgewartet. Anstatt dessen wäre es sinnvoller, den pflegebedürftigen Menschen die Möglichkeit zu geben, es selbst zu lösen. Deshalb auch der Satz „mit den Händen in der Hosentasche“.
Durch das nicht-sofortige-Einschreiten der Pflegepersonen steht das Selbst im Vordergrund. Es fördert Selbstbewusstsein, Selbstsicherheit, Selbstbestimmung und vor allem Selbstständigkeit.
Welche Herausforderungen gibt es in der aktuellen Pflegepraxis, die Sie dazu veranlasst haben, diesen innovativen Ansatz, für den Sie den Albert-Schweiter-Preis erhalten haben, zu erforschen?
Gründe sind Zeitmangel des Personals, Personalengpässe und Einhaltung der geplanten Pflegeroutinen. In der Pflege herrscht oft Zeitdruck und hohe Arbeitsbelastung, was die Qualität der pflegerischen Interaktion beeinflussen kann. Durch meine Untersuchung des Ansatzes von Erwin Böhm, werden alternative Wege aufgezeigt, wie Pflegekräfte trotz dieser Herausforderungen eine einfühlsame und qualitativ hochwertige Pflege bieten können.
Welche konkreten Maßnahmen oder Techniken haben Sie in Ihrer Bachelorarbeit vorgeschlagen, um das Konzept umzusetzen?
Für die Praxis ist es sinnvoll, die erwähnten Barrieren bestmöglich zu beseitigen und eine Pflege mit den Händen in der Hosentasche einzuführen. Es könnte sich als fördernd erweisen, zu gewissen Zeitpunkten Rücksprache mit den Pflegeheimbewohner*innen zu halten, um zu erfragen, wie die Pflege erlebt wird und um besser auf die Bedürfnisse einzugehen und einen Rückzug zu vermeiden.
Auch der gesamte Pflegeprozess, von der Informationssammlung bis zur Evaluation, sollte vom Pflegepersonal gemeinsam mit den Betroffenen durchgeführt werden. In einer der Studien wurde der Pflegeprozess erwähnt und in einer anderen Studie wurde die Einschätzung der Restfähigkeit, welche dem Schritt der Informationssammlung unterliegt, beschrieben. Durch die Miteinbeziehung des Pflegeprozesses könnten gemeinsam Ziele und Vorstellungen besprochen und geplant werden und einer Abhängigkeit effizient entgegengewirkt werden.
Welche Auswirkungen erwarten Sie, wenn Pflegekräfte diesen Ansatz in ihrem beruflichen Alltag anwenden?
Da ich wissenschaftlich belegen konnte, dass eine Pflege mit den Händen in der Hosentasche auch die Selbstständigkeit und Autonomie fördert, bleiben die Betroffenen länger unabhängig vom Pflegepersonal. Dies wiederum kann auf längere Sicht zu einer Entlastung der Mitarbeiter*innen führen. Für die Bewohner*innen bedeutet dies ein selbstbestimmteres, beziehungsweise selbstständigeres Leben, in welchem die eigenen Bedürfnisse und Wünsche im Vordergrund stehen.
Haben Sie bisher von Pflegefachkräften, Kollegen oder anderen Experten Rückmeldungen zu Ihrem Ansatz erhalten?
Im Rahmen meiner Bachelorarbeit habe ich einige Rückmeldungen zu diesem Ansatz erhalten. Diese waren weitestgehend positiv und ermutigend. Bei der persönlichen Umsetzung der Kolleg*innen reflektierten die meisten allerdings eine Übernahme der Aufgaben.
Wie war die Zusammenarbeit mit ihrer Betreuerin und das Arbeitsumfeld an der FH Kärnten insgesamt?
Die Zusammenarbeit mit meiner Betreuerin Melitta Horak und das Arbeitsumfeld an der FH Kärnten waren äußerst unterstützend und inspirierend. Meine Betreuerin hat mich während des gesamten Prozesses eng begleitet und mir wertvolle fachliche Ratschläge gegeben. Das Arbeitsumfeld an der FH Kärnten war geprägt von einem regen Austausch mit Kommilitonen und Professoren, was eine positive Lernatmosphäre geschaffen hat.
Welche Pläne haben Sie für Ihre weitere berufliche Entwicklung?
Für meine weitere berufliche Entwicklung plane ich, die Forschung im Bereich der Pflegewissenschaft fortzusetzen. Ich möchte mich auf die Entwicklung und Implementierung innovativer Ansätze in der Pflege konzentrieren, um die Qualität der Pflegeversorgung weiter zu verbessern.
Der Albert-Schweitzer-Preis für Pflegewissenschaften wurde 2023 erstmalig von den Geriatrischen Gesundheitszentren der Stadt Graz vergeben, um wissenschaftliche Abschlussarbeiten zu würdigen und Absolvent*innen von Pflegeberufen Dankbarkeit für ihre Leistungen in der Pflege zu erweisen. Wir gratulieren Sarah Hiebler zu ihrem Erfolg!
Praktisches und wissenschaftliches Arbeiten in einem Studium vereint
Im Studium Gesundheits- und Krankenpflege an der FH Kärnten werden theoretische, pflegerische, medizinische, wissenschaftliche, kommunikative, rechtliche Grundlagen gelehrt/gelernt und in der Ausbildung in der Praxis innerhalb der 3 Jahre gefestigt.